Der Col de Jau ist würdig genug, um auch von der Tour de France gefahren zu werden,
zuletzt 2001 auf der Etappe von Perpignan nach Ax-les-Thermes. Damals wurde die etwas
leichtere Südseite hochgefahren, dafür ist die Abfahrt auf der Nordseite unangenehmer.
Es gibt dort viele enge Kurven, der Straßenbelag ist teilweise sehr schlecht und Steinschlag
und Geröll von einem Steinbruch liegen schon mal auf der Straße. Also rollen lassen und
bolzen ist hier nicht. Auf der Etappe 2001 erwischte es bei der Abfahrt prompt Bram de Groot,
der über die Leitplanke stürzte und mit Rettungshubschrauber ins Krankenhaus geflogen werden
mußte. Mit verwickelt in den Sturz war auch Sergej Iwanow, der sich einen Schlüsselbeinbruch
zuzog. Beim Hochfahren sind enge Kurven eher angenehm und den Steinen auf der Straße läßt
sich problemlos ausweichen. Wir fahren deshalb die steilere Nordseite hinauf und können dann
dafür auf der Südseite richtig laufen lassen. Dort gibt es nämlich viele lange
Abfahrtsrampen, auf denen man richtig Tempo machen kann.
Zunächst müssen wir aber von Cubières-sur-Cinoble, unserem gewohnten Startpunkt zum Fuß
des Col de Jau bei Axat anfahren. Der kürzeste Weg dorthin ist durch die Gorge de Galamus
nach St. Paul-de-Fenouillet und dann die D117 hinauf, die Verbindungsstraße zwischen
Perpignan und Quillan. Alle anderen Strecken nach Axat kosten einen erheblichen Umweg an
Kilometern und besonders auch an Höhenmetern, was wir uns bei der Schwere der geplanten
Tour nicht antun wollen. Allerdings hat diese Strecke zwei Nachteile: Einmal ist es die
Hauptverbindung in Ost – West Richtung und damit relativ verkehrsreich. Ich fand es
wochentags in der Nebensaison aber problemlos machbar. Das größere Problem ist der Wind.
Im Tal der Boulzane, durch das die D117 meistenteils führt gibt es zwei Hauptwindrichtungen:
talabwärts nach Osten und talaufwärts nach Westen. Wir müssen talaufwärts und wenn dort
der Wind ins Gesicht bläst, laßt es bleiben, es ist nur Quälerei! Sucht euch eine andere,
windgeschütztere Tour aus. Wenn ihr dagegen Rückenwind habt, nichts wie los! Dann fliegt
man die 23 Kilometer bis Axat. Bei Lapradelle rauscht die
Katharerburg von Puilaurens
hoch oben auf einem steilen Felsen gelegen an uns vorbei. Die steile Auffahrt dort hinauf
sind wir
in Tour 1
schon hinaufgefahren.
Nach diesem Geschwindigkeitsrausch (besonders, wenn man in einer Gruppe fährt und kreiseln
kann) kommen wir hinter Axat zu einem weiteren Höhepunkt der Tour, den
Gorges de St. Georges.
Die Aude hat hier von Süden kommend eine schmale tiefe Schlucht in den Berg geschnitten.
Zum Glück, denn durch diese Schlucht müssen wir, um zum Col de Jau zu gelangen, es gibt
keinen anderen Weg. Hinter der Schlucht geht es links ab und hier beginnt die eigentliche
Auffahrt zum Col de Jau. Gute 18 Kilometer Anstieg und 1030 Höhenmeter liegen vor uns!
Bis zum kleinen Dorf
St. Colombe-sur-Guette
geht es noch sehr moderat zu, aber hinter dem Dorf folgt direkt die steilste Passage des
Anstiegs: über 2.8 Kilometer geht es im Durchschnitt 8.3% hinauf mit Spitzen von 12%.
An der Brücke
überqueren wir die Guette,
der weitere Verlauf ist mehr oder weniger gleichmäßig, aber weniger steil. Es geht durch
Wald und Wiesen, immer an der Aiguette, einem netten kleinen Gebirgsbach entlang. Erst
kurz vor Erreichen des Passes öffnet sich der Wald zu einer Almwiese, auf der oft
Pferde und Schafe
weiden. Hier lohnt es sich auf jeden Fall ein
Photo mit dem obligatorischen Passschild
zu machen. Von hier aus können wir auch schon einmal in das
Tal der Castellane
hinab schauen, in das wir uns jetzt stürzen. Die nächsten 22 Kilometer geht es nur abwärts,
es darf Tempo gemacht werden. Im oberen Teil gibt es noch
einige langezogene Serpentinen,
die sich aber alle sehr gut fahren lassen.
Schon im unteren Teil taucht der Ort
Mosset
auf, für mich einer der am schönsten gelegenen Orte in der Region. Das Dörfchen rund um
das Chateau von 1175 ist wunderschön restauriert und hat seinen festungsartigen Charakter
weitgehend behalten. Den richtigen Eindruck bekommt man aber, wenn man
Mosset auf der anderen Seite
schon wieder verlassen hat und von unten noch einmal hinauf blickt. Weiter unten geht es
durch
Molitg-les-Bains,
wie der Name schon vermuten läßt, ein Thermalbad. Ebenfalls wunderschön gelegen klebt
dieser Ort am steilen Hang der Castellane.
Kurz hinter Molitg erwartet uns die zweite Herausforderung des Tages, der Col de
Roque-Jalère. Es geht elf Kilometer und knapp 600 Höhenmeter aufwärts, was einem
Durchschnitt von 5.4% entspricht. Und diese Prozente sind ziemlich gleichmäßig
verteilt, was den Roque-Jalère angenehm zu fahren macht. Außerdem bieten sich unterwegs
phantastische Ausblicke auf das Canigou Massiv und Prades.
Obwohl dies ein stattlicher Pass ist und er auf der Karte auch als solcher bezeichnet ist,
fehlt das sonst übliche Passschild. Statt dessen gibt es nur ein
Hinweisschild auf die Kantonsgrenze.
Na ja, den haben wir aber trotzdem im Sack und niemand kann ihn uns wieder nehmen.
Wir fahren auf der anderen Seite hinab in Richtung Sournia, zunächst kurz durch
Wald und dann durch eine
karge Fels- und Buschlandschaft.
Die Felsklötze liegen hier herum, als wenn Riesen damit Billard gespielt hätten. Manche
haben
seltsame Formen,
die Beeindruckendsten haben sogar Namen. Hinter Sournia geht es noch einmal ein kurzes
Stück hinauf und dann mehr oder weniger bergab nach St. Paul-de-Fenouillet. Das heißt
aber leider nicht, dass wir so kurz vor dem Ziel auf diesem Teil der Strecke ausrollen
lassen können, denn der Wind, der uns morgens das Boulzane-Tal hinaufgetrieben hat
drückt uns jetzt erbarmungslos ins Gesicht. Die Straße zwischen Prats-de-Sournia und
St. Paul ist nämlich dem Wind extrem ausgesetzt. Zum Glück geht es leicht bergab, das
macht es etwas erträglicher. Aber
mit Gottes Hilfe
schaffen wir auch diese Herausforderung und erreichen schließlich St. Paul-de-Fenouillet.
Von dort brauchen wir nur noch durch die Gorge de Galamus (Vorsicht bei Wind!) nach
Cubières-sur-Cinoble hinaufzurollen. Diese letzten 200 Höhenmeter machen uns dann auch
nichts mehr aus.
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