Von Cubières-sur-Cignoble starten wir auf der D14 Richtung Soulatgé
mit unserem ersten Col des Tages, dem kleinen
Col d’en Guilhem.
Mit 498 m Höhe und 50 hm Anstieg muß der aber noch ein bißchen wachsen, um wirklich ernst
genommen zu werden. Aber in Frankreich ist wirklich jeder noch so kleine Buckel als Col
ausgewiesen und Pässejäger kommen hier voll auf ihre Kosten.
Die nächsten 5 km rollen wir den Pass hinab durch den Wald bis in das kleine Dorf Soulatgé,
wo links die D10 Richtung Auriac abgeht. Die erste wirkliche Herausforderung des Tages
liegt vor uns, der Col de Redoulade, ein schon ganz respektabler Anstieg von 300 Höhenmetern,
gestreckt auf 5,5 km, wobei aber gerade die letzten 3,8 km mit 6,9% schon in die Beine
gehen. Aber die Straße ist wie meistens in dieser Gegend autofrei und angenehm zu fahren.
Einzig zwei Kastanien- sammelnden älteren Damen bin ich begegnet, die mich freundlich zum
Probieren einluden, was ich aber dankend ablehnte, da ich gerade meinen Tritt gefunden
hatte und auch noch einiges vor mir hatte. So fahre ich denn weiter durch diese endlos
einsamen Kastanienwälder, die jetzt im Herbst ihre ganze Jahresproduktion auf die Straße
abwerfen. Ich fahre praktisch auf einem Teppich von Kastanien. Zum Glück scheinen die
Stacheln nicht sehr hart zu sein, ich habe Angst um meine Reifen, aber alles geht gut
und ich erreiche den Col auf ausgewiesenen
752m Höhe.
Auf der Abfahrt Richtung Auriac dann das nächste Problem: Mitten auf der Straße steht
ein Stier, und wer schon mal so ein richtig bulliges Muskelpaket gesehen hat, der kann
vielleicht nachvollziehen, das es mir bei diesem furchteinflößenden Anblick kalt den Rücken
runter läuft. Also halte ich erst einmal an, zaudere, ob ich zurückfahren soll, wozu
ich natürlich gar keine Lust habe und beobachte das Tier, das keine Anstalten macht, die
Straße freizugeben. Schließlich fasse ich mir ein Herz, blicke ihm noch einmal tief in die
Augen und fahre dann ganz langsam an dem Koloß vorbei; und dann trete ich richtig in die
Pedalen und stelle einen neuen Abfahrtsrekord auf, vielleicht will er mich ja doch noch
von hinten auf die Hörner nehmen. Aber der Stier bleibt stehen und schaut mir nur
verständnislos nach. Scheinen ja doch ganz friedliche Tierchen zu sein, diese Corbiere
Bullen.
Nach diesem überstandenen Abenteuer erreiche ich wieder die Zivilisation in Auriac, das
aber eigentlich auch nur aus der Burgruine
besteht. Aber immerhin, dieser Fleck mit seinen 35 Einwohnern darf sich schon Dorf nennen,
denn er erfüllt die
drei wichtigsten und unabdingbaren Kriterien:
es gibt eine Mairie (Rathaus, im Hintergrund), ein Ehrenmal für die Gefallenen des
ersten Weltkriegs und eine öffentliche Telefonzelle.
Weiter geht’s abwärts nach Savignan, das im Wesentlichen auch nur aus der Brücke über
die Orbieu besteht, hier gibt es noch nicht einmal eine Telefonzelle. Die Orbieu, die
nur etwas weiter westlich in Fourtou entspringt, werden wir jetzt eine ganze Weile entlang
fahren. Wir fahren aber nicht Richtung Quelle, sondern hinter der Brücke rechts Richtung
Lanet. Nach einigen Kilometern kommen wir auf die D613, auf der wir kurz rechts über die
schöne Pont d’Orbieu Richtung Mouthoumet und direkt hinter der Brücke wieder links weiter
an der Orbieu entlang nach Lanet fahren. Links passieren wir das schön restaurierte
Chateau von Lanet aus dem 13. Jahrhundert,
das heute in Privatbesitz ist. Hinter Lanet führt die Straße durch eine dicht mit Pappeln,
Weiden, Erlen und den typischen mediterranen Eichen bewachsene
Schlucht
, die der Fluß hier in das weiche Karstgestein geschnitten hat.
Bei Montjoi weitet sich die Schlucht wieder
etwas, wir folgen weiter der Orbieu auf der D212. Drei Kilometer hinter Montjoi verlassen
wir das Orbieu- Tal nach links Richtung Lainière, und jetzt kommen wir an die zweite
Herausforderung des Tages (wenn man den Stier nicht mitzählt). Der Col de la Loubière
ist 599 Meter hoch, von denen wir etwa 350 Höhenmeter auf den nächsten 6.5 Kilometern
mitnehmen werden. Der sehr gleichmäßige Anstieg ist angenehm zu fahren und immer wieder
gibt es schöne Ausblicke über die Hügelketten dieser einsamen Berglandschaft mit
Wäldern bis zum Horizont. Der Col selbst
liegt weniger spektakulär mitten im Wald und ist nur an dem
obligatorischen Schild mit
der Höhenangabe und daran, dass es jetzt wieder abwärts geht zu erkennen.
Wir folgen weiter der D40 bis links die D529 nach Villardebelle abzweigt. Hier geht es
noch einmal 170 Höhenmeter einen namenlosen Pass hinauf und auf der anderen Seite rollen
wir hinab in das wunderschön gelegene
Villardebelle. Hier sollte man sich einmal eine Pause gönnen und die Ruhe und die
Atmosphäre dieses Ortes genießen. Es gibt zwar hier wie in den meisten Dörfern der
Corbières keine Einkehrmöglichkeit, aber hier im Schatten der Bäume zu sitzen und die
schön restaurierten Häuser zu betrachten ist auch sehr erholsam.
Wieder frisch und munter machen wir uns dann an die nächste Herausforderung, den
705 Meter hohen Col de Valmigère. Also,
noch ein kurzes Stück hinter Villardebelle abwärts und dann links hoch Richtung Arques.
Der Anstieg ist zwar sehr unregelmäßig aber viele Prozente kommen hier nicht zusammen,
und so läßt sich dieser Col mit lockerem Tritt ohne Probleme nehmen. Oben angekommen
eröffnet sich auf der anderen Seite ein
grandioser Blick über das Rialsesse- Tal, die gegenüberliegenden Hügelketten, gekrönt
von den Schnee- bedeckten Gipfeln der Pyrenäen. Diese
Aussicht und die folgende Abfahrt
zählen sicherlich zu den beeindruckendsten Erlebnissen auf dieser Tour und man sollte
sich ruhig etwas Zeit lassen und den Anblick auf sich wirken lassen. Weiter unten schaut
dann das bekannteste Bauwerk von Arques
zwischen den Bäumen hervor, der gleichnamige Donjon mit seinen charakteristischen vier
Ecktürmchen. Der Turm liegt etwas außerhalb des Örtchens und nachdem wir Arques in
Richtung Couiza durchquert haben, sehen wir erst, was für ein
mächtiges und wohlproportioniertes Bauwerk
das ist.
Weiter geht es die D613 hinab, die eine richtig ausgewachsene Straße ist und sogar durch
einen Mittelstreifen geziert wird. Trotzdem ist der Verkehr keinesfalls mit deutschen
Straßenverhältnissen zu vergleichen, zumindest außerhalb der Hauptreisezeiten. Nach
einigen Kilometern geht dann links die
D14 Richtung Rennes-les-Bains und Bugarach ab, Anfangs noch breit und mit Mittelstreifen,
bald wird sie aber wieder zu einer kleinen sich durch die Hügel windenden Provinzstraße,
die wir als Radfahrer natürlich immer bevorzugen. Es geht hier an dem kleinen Fluß Sals
entlang, der jetzt im Oktober auch noch etwas Wasser führt, aber er kann auch anders!
In Rennes-les-Bains, das wir jetzt durchqueren hat der Fluß im September 1992 schlimme
Überschwemmungen angerichtet und den Ort zu einem großen Teil verwüstet. Wer es nach den
bisherigen Anstrengungen nötig hat kann sich hier in warmem Thermalwasser entspannen und
die gequälten Beine pflegen lassen, Rennes-les-Bains ist dank seiner heißen Thermalquellen
Kurort. Wer nur schnell eine warme Thermaldusche nehmen will kann das kurz bevor man in
den Ort hineinfährt tun, dort fließt eine frei zugängliche Quelle in die Sals, zu erkennen
an dem Brunnengebäude auf der rechten Straßenseite.
Es geht jetzt immer leicht bergan und bald taucht der mächtige
Pic de Bugarach vor uns auf,
mit 1230m der höchste Gipfel der Corbières. Leider ist er nicht mit einem Pass versehen,
der Berg läßt sich nur zu Fuß besteigen. Wir müssen Vorlieb nehmen mit dem
Col du Linas (667m), dem letzten Anstieg
unserer Tour, den es hinter dem Ort Bugarach zu erklimmen gilt. Naja, die 200 Hm mit im
Schnitt 4,6% sind eigentlich keine wirkliche Herausforderung, aber wir haben ja schon einige
Höhenmeter in den Beinen und deshalb fährt es sich doch nicht mehr so leicht wie noch vor
drei Stunden. Der Col selbst ist
erwartungsgemäß wenig spektakulär und ist eher eine kleine Hochebene. Jetzt haben wir es
so gut wie geschafft, die letzten 8 Kilometer brauchen wir uns nur noch rollen lassen,
zunächst durch dichten Wald, der sich weiter unten, wo es etwas flacher wird mit
Weide- und Buschland ablöst. Nach 91km haben
wir wieder Cubières erreicht.
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